Self-Indexing
Einleitung
Die zunehmende Lebenserwartung der heutigen Bevölkerung stellt für Professor Robert C. Merton (MIT Sloan School of Management) eines der zentralen Themen für die zukünftige Gesellschaft dar. Im Rahmen eines aktuellen Diskussionbeitrags führender Finanzexperten zu aktuellen Herausforderungen im Bereich der Finanzwirtschaft äußert er sich dazu: "[...] people are living longer, which is a good thing and not a problem. But like many good things, it has a dysfunctional aspect, which is, how are we going to fund it?"
Die tragende Säule der Altersvorsorge wird nach Merton dabei zukünftig die private Vermögensbildung darstellen: "[...] The only source left is personal saving. For working, middle-class people, personal saving is, for the most part, their house - if we exclude their retirement accounts."
Merton führt dazu weiter an, dass für den Großteil der Bevölkerung Finanzdienstleistungen jedoch eine sehr undurchsichtige Angelegenheit darstellen, weshalb eine ausgeprägte Vertrauensbasis bei der Vermögensanlage unerlässlich scheint: "Financial services, like financial advice, are inherently opaque. If you agree with this premise, then trust is, therefore, the only mechanism that provides an answer."
Dies wirft die Frage auf, welchen Betrag Wissenschaft und Praxis der Finanzwirtschaft zukünftig leisten können, um die private Vermögensbildung in Zeiten zunehmender Volatilität und Komplexität erfolgreich und effizient zu gestalten.
Als mögliches Konzept soll dazu im Folgenden das Konstrukt des Self-Indexing dargestellt werden.
Unter Self-Indexingwird im Rahmen der Vermögensanlage die näherungsweise Nachbildung der Rendite eines vorgegebenen Vergleichsmaßstabes (oftmals auch als Benchmark bezeichnet) verstanden. Konträr zur Methode des "herkömmlichen" Indexing erfolgt hierbei eine Replizierung des Portfolios durch den Investor selbst und es findet keine Übertragung auf Intermediäre, wie beispielsweise ETF-Anbieter statt.
Aufgrund des Verzichts von Intermediären richtet sich das Konzept des Self-Indexing primär an Anleger, welche im Rahmen ihrer Vermögensverwaltung selbstentscheidend und im "Do-it-yourself"-Ansatz agieren. Ferner ist das Konzept eng mit einer für den langfristigen Vermögensaufbau oftmals typischen Buy-and-Hold-Strategie verknüpft.
Bei der Implementierung einer Self-Indexing-Strategie müssen durch den Investor eingangs einige Rahmenparameter festgelegt werden. Diese Stellschrauben sollten sich dabei sowohl an der persönlichen Vermögens- und Einkommenssituation des Investors, als auch am persönlichen Rendite-/Risikoprofil orientieren.
Insbesondere sollten Investoren dabei folgende Punkte adressieren:
- Höhe des Anlagebetrags und der Anlagehäufigkeit (Aufteilung in Teilbeträge oder einmalige Komplettanlage)
- Anlagedauer (ein langfristiger Anlagehorizont stellt für eine Indexing-Strategie eine zentrale Ausgangsbedingung dar)
- Definition des Anlageuniversums
- Auswahl der einzelnen Assetklasse (Aktien, Anleihen oder alternative Investments)
- Bestimmung der Anlageregion (Developed Markets vs. Emerging Markets) und ggf. weitere Spezialisierung auf Regionsebene (Europa, Nordamerika, Asien, etc.) bis hin zu gezielter Länderspezialisierung (Deutschland, USA, Japan, etc.)
- Entscheidung über Nachbildung auf Einzeltitelebene
- Auswahl und Gewichtung einzelner Titel nach vorab definierten Auswahlkriterien, wie beispielsweise profitablem Geschäftsmodell gekennzeichnet durch stabile Cashflow-Entwicklung oder Dividendenhistorie
- Vollständige Nachbildung von marktüblichen Indizes, beispielsweise DAX 30, EuroStoxx 50, S&P 500 oder Nikkei 225
- Handlungsstrategien und -regeln im Bezug auf Umschichtungen ("Money Management")
- Vordefinierte Verkaufsmechanismen zur Begrenzung von großen Verlusten
- Vermeidung von Risikokonzentrationen aufgrund zu großer Gewichte von einzelnen Titeln
- Etablierung eines festen Überprüfungszyklus (halbjährlich, jährlich, zweijährig)
Vorteile gegenüber Investition in Einzelaktie
- Portfoliobildung führt zu Risikoreduktion (siehe dazu obige Grafik)
Vorteile gegenüber passiver Strategie mit Hilfe von ETFs
- (Möglicher) Entfall eines Wertpapierleiherisikos (siehe dazu Unterpunkt "Wertpapierleihe")
- Vermeidung von Interessenkonflikten durch Entfall der Produktebene
- Gebühren begrenzen sich auf Kauf- und Verkaufstransaktionen
- Möglichkeit der Hinterlegung eines individuellen Auswahlprozesses, z.B. Ausschluss von Titeln aus bestimmten Branchen
- Gleichgewichtung über 1/N Titel kann Gewichtung nach Marktkapitalisierung überlegen sein
Vorteile gegenüber aktiver Strategie durch Aktienfonds
- Entfall von Management- und Verwaltungsgebühren sowie Ausgabeaufschlägen und Rücknahmeabschlägen, welche die Rendite für den Investor schmälern
- Hinterlegung eines individuellen Auswahlprozesses, z.B. Ausschluss von Titeln aus bestimmten Branchen
Bei der Wertpapierleihe handelt es sich um ein im täglichen Finanzgeschehen etabliertes Verfahren. Eigentümer von Wertpapieren, wie Aktien oder Anleihen, verleihen diese für einen vorab festgelegten Zeitraum und erhalten dafür eine Leihgebühr. Der Entleiher nutzt die entliehene Aktie oder Anleihe in der Regel, um sich gegen Marktrisiken abzusichern oder im Rahmen von Leerverkäufen bzw. als Sicherheit bei anderen Transaktionen.
Wertpapierleihe im Kontext von Investmentfonds und ETFs
Für (aktive) Investmentfonds bzw. ETFs stellt das Verfahren der Wertpapierleihe eine Möglichkeit dar einen zusätzlichen Ertrag in Form der Leihgebühr für ihre Anleger zu erwirtschaften.
Das Verfahren birgt für den Investor dabei Vorteile und Risiken.
Vorteile der Wertpapierleihe:
- Mithilfe der Gebühr, welche die Fondsgesellschaft mit dem Verleih von Wertpapieren erzielt, kann der Fonds zusätzliche Erträge erwirtschaften
- Die Höhe der Erträge aus der Wertpapierleihe hängen dabei von den Wertpapieren, in die ein Fonds bzw. ETF investiert ist, und von der entsprechenden Leihnachfrage ab
Risiken der Wertpapierleihe:
- Das Ausfallrisiko des Entleihers ist das zentrale Risiko der Wertpapierleihe, es besteht somit grundsätzlich das Risiko, dass der Entleiher das jeweilige Wertpapier nicht mehr liefern kann
- In einem solchen Fall würde die Fondsgesellschaft die vom Entleiher gestellte Sicherheit dazu nutzen, die verliehenen Wertpapiere zu ersetzen
- In der Praxis kommen deshalb entsprechende Risikomanagementprozesse zum Einsatz, welche eine Prüfung des Entleihers mit anschließender regelmäßiger Überwachung hinsichtlich neuer Transaktionen und maximaler Ausleihgrenze vorsieht
Wertpapierleihe im Kontext von Kundendepots bei Depotbanken
Bei der Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren (Depotgeschäft) durch die Bank befinden sich die Wertpapiere weiterhin im Eigentum des Hinterlegers (dem Kunden der Bank). Das Institut tritt lediglich als Verwahrer dieser Wertpapiere auf. Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Verwahrung und auch eine entsprechende Wertpapierleihe stellt dabei das Depotgesetz (DepotG) dar. Aus §15 DepotG (Unregelmäßige Verwahrung, Wertpapierdarlehen) geht dazu hervor:
§15 Abs. 1 DepotG: „Wird die Verwahrung von Wertpapieren in der Art vereinbart, daß das Eigentum sofort auf den Verwahrer oder einen Dritten übergeht und der Verwahrer nur verpflichtet ist, Wertpapiere derselben Art zurückzugewähren, so sind die Vorschriften dieses Abschnitts [gemeint ist: Abschnitt 1 DepotG] auf ein solches Verwahrungsgeschäft nicht anzuwenden.“
§15 Abs. 2 DepotG: „Eine Vereinbarung der in Absatz 1 bezeichneten Art ist nur gültig, wenn die Erklärung des Hinterlegers für das einzelne Geschäft ausdrücklich und schriftlich abgegeben wird. In der Erklärung muß zum Ausdruck kommen, daß das Eigentum sofort auf den Verwahrer oder einen Dritten übergehen soll und daß mithin für den Hinterleger nur ein schuldrechtlicher Anspruch auf Lieferung nach Art und Zahl bestimmter Wertpapiere entsteht. Die Erklärung darf weder auf andere Urkunden verweisen noch mit anderen Erklärungen des Hinterlegers verbunden sein.“
Anleger sollten deshalb prüfen, in welchem Rahmen sie aufgrund von Kundenverträgen Wertpapierleihgeschäften der Depotbank zugestimmt haben. Außerdem sollte geprüft werden, welche Art von Sicherheiten durch den Entleiher an die Depotbank entrichtet werden.
Keine Beratung / Keine Anlageempfehlung
Die Veröffentlichungen auf dieser Seite zum Thema Self-Indexing stellen keine individuelle Wertpapier-, Vermögens- und Anlageberatung und auch keine Empfehlungen zum Erwerb, zum Kauf bzw. zur Zeichnung des betreffenden Wertpapiers oder sonstiger Finanzinstrumente dar, weil diese Informationen nicht alle für die Bewertung eines Wertpapiers bzw. Finanzinstrumentes relevanten Angaben enthalten.
Die dargestellten Informationen dienen lediglich der persönlichen und eigenverantwortlichen Information. Die jeweiligen individuellen Verhältnisse eines Investors /Anlegers, besonders seine finanzielle und wirtschaftliche Situation, werden in diesen Informationen nicht berücksichtigt.